Abgrenzung Raub & räuberische Erpressung
- Posted by IUDICUM
- Zugang Meinungsstreits, Strafrecht
Problemaufriss
Der Raub gem. § 249 I StGB kommt regelmäßig in Examensklausuren dran und muss dabei in den meisten Fällen von der räuberischen Erpressung abgegrenzt werden. Grund dafür ist, dass die dogmatische Ausgestaltung höchst umstritten ist: Beginnt man die Prüfung mit dem Raub, muss im Rahmen der Wegnahme gefragt werden, wie der Gewahrsamsbruch konkret ausgestaltet sein muss und in welchen Fällen eher eine räuberische Erpressung vorlieg. Hierzu werden im Wesentlichen zwei Meinungen (BGH vs. h.L.) vertreten.
Meinung 1
Nach Ansicht der Literatur stehen Raub und räuberische Erpressung in einem tatbestandlichen Exklusivitätsverhältnis, d.h. sie schließen sich gegenseitig aus. Dies lässt sich damit begründen, dass die Erpressung genauso wie der Betrug ein Selbstschädigungsdelikt ist. Die Folge ist, dass auch bei der räuberischen Erpressung wie beim Betrug eine Vermögensverfügung vorliegen muss. Der Raub ähnelt in diesem Verhältnis der Stellung des Diebstahls. Demzufolge muss auch die Abgrenzung wie beim Diebstahl/Betrug erfolgen: Wesentlich ist die innere Willensrichtung des Opfers. Stellt es sich vor, Einfluss auf den Gewahrsamswechsel zu haben, liegt eine räuberische Erpressung vor; anderenfalls ein Raub.
Meinung 2
Nach Ansicht des BGH stehen Raub und räuberische Erpressung in einem Spezialitätsverhältnis, d.h. der Raub ist ein spezieller Fall der räuberischen Erpressung, was sich auf Ebene der Konkurrenzen auswirkt. Die räuberische Erpressung ist strukturell an die Nötigung angelehnt – eine Vermögensverfügung ist deswegen gerade nicht notwendig. Vielmehr muss auf ein „Handeln, Dulden oder Unterlassen“ abgestellt werden. Die Wegnahme innerhalb des Raubes stellt einen speziellen Fall des Duldens (der Wegnahme) dar. Die Abgrenzung erfolgt sodann über das äußere Erscheinungsbild: Nimmt sich der Täter die Sache, liegt ein Raub vor. Lässt er sie sich geben, liegt eine räuberische Erpressung vor.
Lösung
Für die Exklusivitätstheorie (h.L.) spricht, dass eine gewisse Vergleichbarkeit vom Verhältnis Raub/räuberische Erpressung und Diebstahl/Betrug nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Außerdem stellt sich die Frage, warum § 249 StGB überhaupt existieren sollte, wenn jeder Raub automatisch auch eine räuberische Erpressung wäre. Entscheidend für die Spezialitätstheorie (BGH) spricht jedoch die Behandlung der vis absoluta (willensbrechende Gewalt): Nach allgemeiner Auffassung ist die vis absoluta taugliches Nötigungsmittel des Raubes. § 249 StGB hat den gleichen Gewaltbegriff wie §§ 253, 255 StGB. Würde man jedoch bei der räuberischen Erpressung eine Vermögensverfügung verlangen, wäre die Anwendung von vis absoluta bei §§ 253, 255 StGB unmöglich. Der brutalere Täter würde von der Exklusivitätstheorie also gewissermaßen privilegiert werden, was unbillig erscheint. Aus rein praktischen Gesichtspunkten können subjektive Elemente außerdem immer ein Beweishindernis sein, weshalb die Ansicht des BGH praxistauglicher wirkt (äußeres Erscheinungsbild als Abgrenzung).