Gutgläubiger Erwerb bei Minderjährigen
- Posted by IUDICUM
- Zugang Meinungsstreits, Zivilrecht
Problemaufriss
Zivilrechtliche Sachverhalte mit Minderjährigen drehen sich oftmals um die Frage, ob ein rechtlich lediglich vorteilhaftes Geschäft vorliegt (§ 107 BGB). Will ein Minderjähriger das Eigentum an einer ihm fremden Sache übertragen, liegt grundsätzlich ein neutrales Geschäft vor. Die Willenserklärung des Minderjährigen hängt folglich von keiner Einwilligung ab. Problematisch ist in diesen Fällen jedoch, ob der Empfänger auch gutgläubig das Eigentum erwerben kann, § 932 I BGB.
Meinung 1
Der Empfänger kann nicht gutgläubig Eigentum erwerben. Der gutgläubige Erwerb ist eine verkehrsschützende Vorschrift, die den Empfänger so stellen soll, als wäre sein Geschäftspartner tatsächlich Eigentümer der in Frage stehenden Sache. Wäre der Minderjährige aber in Wirklichkeit der Eigentümer der Sache, so würde die Wirksamkeit des Geschäfts von der Einwilligung/Genehmigung der gesetzlichen Vertreter abhängen.
–> Teleologische Reduktion des § 932 I BGB
Meinung 2
Der Empfänger kann gutgläubig Eigentum erwerben. Es ergibt sich weder aus der den §§ 107 ff. BGB erwachsenden Schutzwürdigkeit des Minderjährigen, noch aus dem Telos des § 932 I BGB, dass eine teleologische Reduktion geboten ist. Die Gutglaubensvorschriften sind keine Vorschriften, die den Erwerber in eine fiktive Stellung rücken wollen. Sie dienen vielmehr der Schnelllebigkeit und Vereinfachung des Rechtsverkehrs, der auf Rechtsvertrauen und objektiven Umständen beruht.
Lösung
Es wird überwiegend angenommen, dass der gutgläubige Erwerb von Minderjährigen möglich ist. § 932 BGB ermöglicht nicht direkt den gutgläubigen Erwerb, sondern verhindert diesen vielmehr bei Bösgläubigkeit des Erwerbers. Somit kann auch keine teleologische Reduktion des § 932 BGB angenommen werden. Darüber hinaus werden im BGB Ausnahmen zum gutgläubigen Erwerb ausdrücklich normiert (bspw. § 935 BGB), weshalb eine ungeschriebene Ausnahme eher abzulehnen ist.