Einführung, Verfassungsprinzipien
Willkommen zur ersten Lektion im Staatsorganisationsrecht! Das Staatsorganisationsrecht (allgemein als Staatsorga bezeichnet) hat im Grundstudium wohl die größte politische Prägung aller Rechtsgebiete. Hier gilt es, das Funktionieren des Staates als Institution zu verstehen: Welchen Prinzipien folgt die Bundesrepublik Deutschland? Wie funktionieren die Wahlen? Welches Verhältnis haben die einzelnen Bundesorgane untereinander? Wie läuft eigentlich die Gesetzgebung ab? Mit diesen und weiteren Fragen setzt sich das Staatsorganisationsrecht – aus einer rechtlichen Perspektive – auseinander. Wie immer gilt es natürlich, die eigene politische Ansicht außen vor zu lassen. Auch wenn es gerade mit Blick auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Wahlsystem verlockend erscheint, eine politische Meinung vertreten zu wollen, muss das Gesetz stets objektiv angewendet werden. Das Staatsorga befindet sich grundsätzlich in den Artikeln 20 bis 104 GG und lässt sich in fünf verschiedene Gebiete aufteilen, die einen angenehmen Blick auf die Stoffmenge ermöglichen: 1. Der Bund und die Länder: Art. 20 bis 37 GG; 2. Die Verfassungsorgane: Art. 38 bis 69 GG; 3. Legislative (Gesetzgebung): Art. 70 bis 82 GG; 4. Exekutive (Ausführende Gewalt): Art. 83 bis 91 GG; 5. Judikative (Rechtsprechung): Art. 92 bis 104 GG. Gerade zu Beginn der aufgezählten Normen lassen sich die wichtigsten „Grundlagen“ (à Prinzipien) der Staatsstruktur erkennen. Ein Blick in Art. 20 GG (unbedingt lesen!) zeigt: Deutschland ist eine Bundesrepublik, ein Rechts- sowie Sozialstaat und ist als Demokratie ausgestaltet. Das bedeutet konkret: Rechtsstaatsprinzip: Die Staatsgewalt ist an das geltende Recht gebunden. Ausfluss sind u.a. der Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes, das Bestimmtheitsgebot und Verhältnismäßigkeitsprinzip. Demokratieprinzip: Das Volk ist Träger der Staatsgewalt. Ausfluss sind die Wahlen, die Wesentlichkeitstheorie und Gewaltenteilung. Bundesstaatsprinzip: Dem Bund stehen die Länder als eigene „Staaten“ gegenüber. Sie üben eigene Staatsgewalt aus und sind Träger von Hoheitsrechten. Sozialstaatsprinzip: Politischer Handlungsauftrag zur Wahrung der sozialen Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit. Kaum klausurrelevant, jedoch dennoch unverzichtbar im Grundwissen. Republik: Republik ist eine Staatsform und ist das Gegenteil einer Monarchie. Eine Republik braucht noch eine Regierungsform, in Deutschland die Demokratie. Wozu braucht man jetzt aber eigentlich diese ganzen Prinzipien? Erst einmal, um sich für mögliche Fragen in der Klausur und mündlichen Prüfung zu wappnen. Vor allem aber helfen sie beim Verständnis, warum gewisse Entscheidungen getroffen, Gesetz erlassen und Handlungen vollzogen werden. Die Staatsprinzipien stellen das Grundgerüst unserer Rechtsordnung dar und sind daher nicht nur unverzichtbar, sondern müssen stets präsent im Kopf behalten werden – rechtsgebietsübergreifend! Die wesentlichen Staatsprinzipien können deshalb auch nicht vom Gesetzgeber abgeschafft werden. Jegliche Änderung des wesentlichen Grundgedankens von Art. 1 und 20 GG ist nach Art. 79 GG unzulässig. Auch ist eine Änderung des Grundgesetzes insgesamt an Voraussetzungen gebunden, sodass dessen hoher Stellenwert noch einmal zu betonen ist. Für Prüfungen dürfte das Rechtsstaatsprinzip eins der wichtigsten Staatsprinzipien darstellen. Aus diesem lassen sich u.a. der Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes, das Bestimmtheitsgebot, das Gebot des bundestreuen Verhaltens sowie das Rückwirkungsverbot herleiten. Diese fünf Grundsätze begegnen euch immer wieder in staatsorganisationsrechtlichen Klausuren oder mündlichen Prüfungen: Nach dem Vorbehalt des Gesetzes darf die Exekutive grundsätzlich nicht ohne ein bestehendes Gesetz tätig werden. Es ist daher eine Ermächtigungsgrundlage für exekutives Handeln erforderlich – aus diesem Grund existiert auch der vor allem im Verwaltungsrecht so gut immer anzusprechende Prüfungspunkt „Ermächtigungsgrundlage“. Nach dem Vorrang des Gesetzes darf die Exekutive nicht „gegen“ das Gesetz handeln, muss sich also an das Gesetz bei seinen Handlungen halten. Das Bestimmtheitsgebot regelt, dass der Gesetzgeber seine Regelungen so genau fassen muss, dass der Adressat die Rechtslage erkennen und sein Verhalten daran ausrichten kann. Dieser Punkt wird gerne in der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes inzident abgefragt – jedenfalls ist er oft anzusprechen. Ein Rückgriff auf unbestimmte Rechtsbegriffe ist dem Gesetzgeber übrigens erlaubt. Nach dem Rückwirkungsverbot darf ein Gesetz grundsätzlich nicht für den Zeitraum vor seiner Verkündung gelten. Ausnahmsweise ist eine Rückwirkung zulässig, wenn der Vertrauensschutz es zulässt. Dabei wird zwischen echter und unechter Rückwirkung unterschieden. Echte Rückwirkung bedeutet, dass das Gesetz einen Sachverhalt regelt, der abgeschlossen in der Vergangenheit liegt. Sie ist unzulässig, außer das Vertrauen der Betroffenen ist nicht schutzwürdig. Unechte Rückwirkung bedeutet, dass das Gesetz einen Sachverhalt der Vergangenheit regelt, der noch nicht abgeschlossen ist. Sie ist zulässig, außer es gibt ein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen. Nach dem Gebot der Bundestreue müssen Bund und Länder zumutbare Rücksicht aufeinander nehmen. Es ergibt sich aus dem Bundesstaats- und Rechtsstaatsprinzip. Das Gebot der Bundestreue begründet zwar keine selbständige Rechte oder Pflichten, gelegentlich kann sich hieraus aber eine besondere Verfahrensweise geben. So muss in gewissen Fällen eine positivrechtlich nicht geregelte Anhörung der jeweiligen Gegenseite ergehen, damit eine Maßnahme formell korrekt ergriffen werden kann. Halten wir zum Schluss dieser Lektion fest: Das Staatsorganisationsrecht ist ein recht überschaubares Rechtsgebiet. Während es gerade zu Beginn des Studiums sehr trocken anmutet, kann man mit dem richtigen Überblick in kurzer Zeit recht viel verstehen und verinnerlichen. Dabei helfen neben dem 5-schrittigen Aufbau des Staatsorganisationsrechts im Grundgesetz auch die Verbindungen und Gemeinsamkeiten zu anderen Rechtsgebieten, gerade zu solchen des öffentlichen Rechts. Vermeintliche Banalitäten wie die Staatsprinzipien stellen die Brücken zwischen den Gesetzen dar und können bei den meisten Argumenten helfen, einen festen und nachvollziehbaren Standpunkt zu finden. Staatsorga sollte deshalb in der Gesamtschau des Studiums gelernt und gesehen werden, damit eine gute Klausur durch ein solides Grundverständnis (fast) schon garantiert wird. |