Marihuana Konsumenten – Ungeeignete Autofahrer?
(BVerwG, Urt. v. 11.04.2019 – 3 C 13/17)
- Posted by IUDICUM
- Zugang Klassiker Urteile, Öffentliches Recht
Relevanz
Das BVerwG durfte am 11.04.2019 gleich sechs verschiedene Urteile zu quasi den gleichen Sachverhalten treffen (Az. 3 C 13.17, 3 C 14/17, 3 C 7.18, 3 C 2.18, 3 C 8.18, 3 C 9.18). Dabei ging es um die Fahreignung eines gelegentlichen Marihuana-Konsumenten – insofern dürfte dieses spezifische Urteil so manchen Leser auch aus praktischer Sicht interessieren. Für die Juristen ist die Behandlung des Sachverhalts insbesondere im Rahmen des Ermessens interessant.
Sachverhalt
Bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle wurde der Kläger (K) mit 1,7g Marihuana im Gepäck erwischt. Bei der Kontrolle gab er außerdem an, 45 min vor Fahrtantritt einen Joint geraucht zu haben, weshalb eine Blutuntersuchung angeordnet wurde. Das Ergebnis: 3,7 ng/ml THC. Daraufhin erhielt K einen Bußgeldbescheid, welcher ihm 500 € Buße sowie ein einmonatiges Fahrverbot auferlegte. Die Anschuldigung: Eine fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeit gem. § 24 a II, III StVG. Auf Basis dessen wurde ihm ein halbes Jahr später der Führerschein unter Anordnung des Sofortvollzugs durch das Landratsamt Starnberg vollständig entzogen. K sei gem. § 11 VII FeV (Fahrerlaubnisverordnung) zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet, da er nicht in der Lage sei, den Konsum von Cannabis hiervon zu trennen. Dagegen legte K Widerspruch ein, welcher zurückgewiesen wurde. Schließlich verfolgte K den Klageweg.
Problem
Kann der Führerschein bereits nach einem einmaligen rauschgiftbedingten Verkehrsverstoß vollständig entzogen werden?
Lösung
Nr. 9.2.2 Anlage 4 FeV bejaht grundsätzlich die Fahreignung, wenn der Cannabiskonsum und das Fahrzeugführen getrennt werden. Außerdem darf kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen stattfinden sowie keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegen. Demnach war K weiterhin zum Führen eines KFZ geeignet.
Dennoch steht der Behörde ein Ermessen zu: Die Fahrt unter dem Einfluss von Cannabis kann Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs begründen. Diese Zweifel reichen jedoch nicht aus, um den Führerschein pauschal zu entziehen. Vielmehr muss regelmäßig zunächst die Fahreignung durch eine medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) nach § 14 I 3 FeV aufgeklärt werden.
Die Auslegung der Nr. 9.2.2 Anlage 4 FeV ergibt nämlich, dass der Gesetzgeber nicht bereits erste Verkehrsordnungswidrigkeiten als Grundlage für den dauerhafte Entzug der Fahrerlaubnis verstand. Außerdem ist das Fahrerlaubnisrecht als Gefahrenabwehrrecht einzustufen. Das heißt es wirkt präventiv, nicht repressiv – es geht nicht um das Sanktionieren eines zurückliegenden Fehlverhaltens, so wie bspw. die 500€ und das einmonatige Fahrverbot, sondern darum, künftige Risiken auszuschließen. Und in Fällen von erstmaligen Verstößen können zukünftige Gefahren dem Grunde nach nicht abgeschätzt werden. Vielmehr muss im Einzelfall die Sachlage weiter erforscht werden – was durch die Anordnung einer MPU problemlos möglich ist.
Da aber hier die Fahreignung vom Landratsamt sofort abgelehnt wurde, ohne eine MPU anzuordnen, lag ein Ermessensnichtgebrauch vor. Im Ergebnis war der Führerscheinentzug folglich rechtswidrig.
Entscheidung
BVerwG, Urt. v. 11.04.2019 – 3 C 13.17 (DAR 2019, S. 637 ff.)
https://www.bverwg.de/110419U3C13.17.0
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