Weimarer Reichsverfassung (WRV) als Schranke von Art. 4 I, II GG
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- Zugang Meinungsstreits, Öffentliches Recht
Problemaufriss
Art. 4 I, II GG (Glaubensfreiheit) enthält dem Wortlaut nach keine Schrankenregelung. Folglich könnte man annehmen, dass es sich hierbei um ein schrankenlos gewährleistetes Grundrecht handelt, dessen Einschränkung nur aufgrund von kollidierenden Verfassungsrechts gerechtfertigt werden kann.
Im Hinblick auf Art. 136 I WRV ist jedoch fraglich, ob die darin enthaltene Beschränkung der Glaubensfreiheit vollgültiges Verfassungsrecht ist und damit als Schrankenregelung zu Art. 4 I, II GG dient. Hierzu werden im Wesentlichen zwei Auffassungen vertreten, welche im Rahmen der Schrankenprüfung diskutiert werden sollten.
Meinung 1
Art. 140 GG erklärt u.a. Art. 136 WRV zum Bestandteil des Grundgesetzes. Folglich muss auch die entsprechende Schrankenregelung aus Art. 136 I WRV als vollgültiges Verfassungsrecht anerkannt werden. In einer Prüfung der Glaubensfreiheit muss demnach ein einfacher Gesetzesvorbehalt angenommen werden. Anderenfalls wäre die Einbeziehung des Art. 136 I WRV in das Grundgesetz quasi zwecklos.
Außerdem wird allgemein anerkannt, dass Art. 136 III S. 2 GG eine wirksame Schranke für Art. 4 I, II GG bildet (Offenbarung der Religionszugehörigkeit in speziellen Fällen). Dies wäre jedoch widersprüchlich, wenn zwei Absätze darüber, in der gleichen Norm, eine Schranke als nicht wirksam anerkannt würde.
Meinung 2
Art. 4 I, II GG wird schrankenlos gewährleistet. Dafür spricht neben dem Wortlaut der Norm insbesondere die Stellung am Anfang des Grundgesetzes. Hätte der Gesetzgeber eine Schranke vorgesehen, hätte er sie aus Rechtssicherheitsgründen ausdrücklich in Art. 4 GG erwähnt – eine Schranke in Art. 136 I WRV zu normieren wäre daher systemwidrig.
Lösung
Das Bundesverfassungsgericht erkennt Art. 136 I WRV nicht als Schranke des Art. 4 I, II GG an; vielmehr wird Art. 136 I WRV von Art. 4 I, II GG überlagert. Dafür spricht neben dem Wortlaut und der Systematik auch die Historie der WRV: Art. 135 WRV wurde im Gegensatz zu Art. 136 WRV nicht in das GG mit einbezogen. Dieser enthielt aber als Vorgängernorm zu Art. 4 GG einen expliziten Gesetzesvorbehalt, welchen der Gesetzgeber augenscheinlich nicht im GG sehen wollte.