Ärztlicher Heileingriff als Körperverletzung
- Posted by IUDICUM
- Zugang Meinungsstreits, Strafrecht
Problemaufriss
Ärztliche Heileingriffe greifen regelmäßig in die körperliche Integrität ein. Bei einer Operation wird beispielsweise der Körper zunächst verletzt, um ihn insgesamt zu heilen.
Bestimmte Sachverhaltskonstellationen im Strafrecht können nun dazu führen, dass zu prüfen ist, ob sich der Arzt bei seinem Heileingriff einer Körperverletzung schuldig gemacht hat. In diesem Kontext ist umstritten, ob der objektive Tatbestand des § 223 StGB durch den ärztlichen Heileingriff überhaupt erfüllt werden kann.
Hierzu werden drei Ansichten vertreten.
Meinung 1
Der ärztliche Heileingriff erfüllt den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung, selbst wenn er nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wurde und erfolgreich war. Geht man von den Voraussetzungen des § 223 StGB aus, lässt sich nicht erkennen, woran der objektive Tatbestand scheitern sollte: Wird beispielsweise eine Operation mit einem Skalpell durchgeführt, liegt wenigstens eine körperliche Misshandlung in Form eines Schnitts vor.
Der Patient willigt jedoch regelmäßig in die Körperverletzung ein, weshalb ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Der Arzt bleibt daher straflos.
–> Rechtfertigungslösung
Meinung 2
Der ärztliche Heileingriff kann schon tatbestandlich keine Körperverletzung darstellen. Zwar wird kurzzeitig der Körper (bspw. durch einen Schnitt) “verletzt”, jedoch wird der Patient insgesamt geheilt, bzw. sein körperlicher Zustand wird verbessert. Er wird also weder an der Gesundheit geschädigt, noch unterzieht er den Patienten einer unangemessen Behandlung.
Der Arzt bleibt folglich straflos.
–> Tatbestandslösung
Meinung 3
Das tatbestandliche Vorliegen der Körperverletzung hängt vom Erfolg des ärztlichen Heileingriffs ab. Misslingt der Eingriff, muss die Strafbarkeit von der rechtfertigenden Einwilligung aufgehalten werden. Bei einem erfolgreichen Eingriff ist bereits der objektive Tatbestand nicht erfüllt.
–> Erfolgstheorie
Lösung
Nach allen Ansichten bleibt der Arzt also straflos, wenn er erfolgreich einen Heileingriff vornimmt und der Patient darin einwilligt. Ein Streitentscheid könnte dennoch in einer Klausur einmal erforderlich sein, wenn es Probleme innerhalb der Einwilligung des Patienten gibt. Dann kommt es darauf an, ob die Prüfung bereits im Tatbestand endet.
Dies deutet auf zwei Argumentationsstränge hin: Einerseits scheint es dem Sinn des § 223 StGB zu widersprechen, auch Heileingriffe tatbestandlich zu erfassen. Warum sollte man einen Arzt beispielsweise mit einem Schläger oder Messerstecher gleichstellen?
Andererseits umgeht die Tatbestandlösung aber das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Würde man die Tatbestandsmäßigkeit ablehnen, könnte ein Arzt gegen den Willen des Patienten eine OP an ihm vornehmen, solange es sich dabei um einen erfolgreichen Heileingriff handelt.
Im Streitfall wirkt die Tatbestandslösung daher wenig überzeugend. Vielmehr sollte aufgrund des Selbstbestimmungsrechts des Patienten der Rechtfertigungslösung gefolgt werden.